Partner, Konkurrenten oder Todfeinde – wie verhalten sich die klassische Fotografie und Bilder, die durch künstliche Intelligenz entstehen? Wir haben uns mal grundsätzlich Gedanken gemacht, weil wir in beiden Welten zuhause sind.
Inhalte
Wir als Autoren des AI Imagelabs kommen aus der Fotografie: Adrian als Fotograf, Andreas als Gastgeber in mehreren Foto-Communities. In vielen Gesprächen zum Thema KI begegnet uns die Einstellung:
„Künstliche Intelligenz gefährdet Fotografen-Jobs und die Fotografie allgemein“
Und unter diesem Vorzeichen laufen dann die allermeisten Diskussionen zum schwierigen Verhältnis zwischen Künstlicher Intelligenz und Fotografie ab:
- Mit KI Bildern werden „Fake News“ und „Manipulation“ assoziiert.
- Den Anbietern von KI Software wird pauschal ein massenhafter Urheberrechtsverstoß unterstellt.
- KI-Kreativen wird generell abgesprochen, dass man mit Hilfe von Midjourney, Stable Diffusion und Co. Kunstwerke erschaffen kann.
- Und nicht zuletzt ist der Begriff KI für viele sehr negativ besetzt – und vielleicht durch die Terminator-Filme mit der Auslöschung der Menschheit verbunden.
Ganz ehrlich: Das geht uns ganz schön auf den Zeiger.
Nicht weil alle schlagartig auf den KI Zug aufspringen sollen, sondern weil wir glauben, dass wegen dieser übersteigerten Bedenken und diesem künstlichen Gegensatz riesige Chancen verschenkt werden – und zwar Chancen für Fotografen und die Fotografie.
Fotografen und KI brauchen sich gegenseitig
Denn: Das gerade neu entstehende Medium „KI generierte Bilder“ braucht Fotografen!
Das Wissen und die Erfahrung, wie man beeindruckende oder emotionale oder treffende Bilder schafft, fällt nicht vom Baum und lässt sich nicht an einen Algorithmus auslagern. Fotografen – Profis aber auch Amateure – haben genau dieses KnowHow, um aus dem neuen Werkzeug das beste herauszuholen. Auch einer KI muss man kompetente Vorgaben machen, um Bildgestaltung, Licht, Farbe und Kontrast richtig einzusetzen.
Umgekehrt gilt genauso: Für Fotografen sind Midjourney & Co. ein fantastisches Werkzeug…
- … um ihre kreative und handwerkliche Qualifikation einzusetzen
- … um bessere Bilder zu schaffen – besser als der massenhaft verbreitete KI Einheitsbrei, aber auch besser als die eigenen Bilder, deren Kreativität bislang noch durch die Technik beschränkt war.
Wer als Fotograf seine Vorbehalte gegenüber Midjourney, Stable Diffusion und anderen Anwendungen ablegt, bekommt ein Werkzeug, um die eigene Fotografie auf ein anderes Level zu heben.
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Künstliche Intelligenz ist schon länger ein Bestandteil der Fotografie
Gerne wird ein Gegensatz behauptet, zwischen KI-Bildern auf der einen Seite und Fotografie auf der anderen Seite. Diese Trennung ist aber auf keinen Fall so klar, wie oft dargestellt. Künstliche Intelligenz spielt schon länger eine große Rolle rund um das Foto und wird an vielen Stellen ganz selbstverständlich eingesetzt:
KI in Kameras
In aktuellen Kameras arbeiten jetzt schon KI-trainierte Algorithmen, um verschiedene Kamerafunktionen zu steuern:
- Autofokus
- Belichtung
- Bildstabilisierung und
- Weißabgleich

Nachbearbeitung durch KI
Gleiches gilt in der Nachbearbeitung: Schärfung, Entrauschen oder Hochskalieren von Bildern wird auch von Künstlicher Intelligenz unterstützt – mit beeindruckenden Ergebnissen (z.B. von Topaz Photo AI), die mit klassischer Bildbearbeitung nicht möglich wären. Aus alten Bildern, die wegen technischer Mängel früher in den Papierkorb gewandert sind, lassen sich mit den neuen Tools massiv verbessern.

Entfernung unerwünschter Bildinhalte
Inakzeptabel, wenn es um Dokumentar- oder Reportagefotografie geht, aber ein Segen für Familienbilder oder Hochzeitsfotografie, wenn unerwünschte Bildelemente die Bildwirkung beeinträchtigen. Entsprechende Funktionen gibt es bei Photoshop und Lightroom, oder auch unter den gerade angekündigten Apple Intelligence Features.

Historische Bilder wiederherstellen
Bilder oder Filme zu restaurieren war bislang eine teure und extrem zeitaufwändige Aufgabe für Spezialisten. KI Tools holen aus verwackelten Schwarzweiß-Filmen oder extrem beschädigten Negativen noch Bilder heraus, die einen echten Eindruck der Menschen und ihrer Welt vor vielen Jahren vermitteln. In Photoshop steht bereits ein „Neural Filter“ bereit, der genau auf diese Aufgabe spezialisiert ist.

KI-gestützte Bildverwaltung
Oder in der Bildverwaltung: Durch die digitale Fotografie, egal ob mit „richtiger“ Kamera oder Smartphone entstehen gewaltige Bildermengen, nicht nur in der Gesamtschau, sondern auch auf dem eigenen Rechner. Was hilft bei der Verwaltung? Genau: Künstliche Intelligenz. Excire z.B. bietet sowohl Werkzeuge, um in großen Archiven in natürlicher Sprache zu suchen oder die Bildbestände automatisch zu verschlagworten.
Künstliche Intelligenz ist also jetzt schon integraler Bestandteil von Fotografie und Nachbearbeitung und liefert einen echten Mehrwert in Form von besserer Bildqualität und enormer Arbeitserleichterung. In dem Bereich der Bildbearbeitung erleichtert die Künstliche Intelligenz also bereits den Alltag und wird selbstverständlich als Werkzeug eingesetzt, ohne dass sich jemand daran stört. Warum aber wird genau diese Künstliche Intelligenz auf der anderen Seite als kreatives Werkzeug bei der Bildgenerierung so negativ gesehen?

Gute KI Bilder brauchen fotografisches KnowHow
Wir sind überzeugt, dass die Künstliche Intelligenz den Fotografen auch im Bereich Bildgenerierung fantastisch unterstützen kann. Sie wird das Werkzeug „Foto-Kamera“ in einigen Bereichen ersetzen, aber nicht den Fotografen bzw. dessen KnowHow zu Bildgestaltung & Co. Wer sich mit einem minimalen gestalterischen Anspruch durch den Feed von Midjourney Bildern klickt oder auf Social Media in KI Bildern stöbert, dem fallen schnell zwei Pole auf:
- Die Mehrheit der Bilder hat einen sehr einheitlichen – und sehr uninteressanten – Stil und zeigt nur eine geringe Bandbreite an Motiven.
- Die interessant gestalteten Ausnahmen und die originellen Motiven kommen überwiegend von Fotografen!
Diesen Trend kennt man von anderen Disruptionen der letzten Jahrzehnte wie Desktop Publishing oder Digitalfotografie: Wenn Kosten, Zeitaufwand und technische Aufwand kein Hindernis mehr sind, um ein Medium zu beherrschen, wird gleichzeitig …
- … großes kreatives Potential freigesetzt und
- … eine Schwemme von Belanglosigkeit ausgelöst.
Hat sich die neue Technologie erst etabliert, wird es in der Regel von denjenigen beherrscht, die schon vorher professionell mit dem Medium gearbeitet haben.
Woran das liegt? Fotografen haben ihr Handwerk gelernt, das eben nicht nur aus der Handhabung eines technischen Geräts besteht, sondern auch in der Beherrschung des kreativen Werkzeugkastens:
- Bildaufteilung & Bildaufbau
- Licht & Wetter
- Perspektive & Bildausschnitt
- Kontrast & Farbe
- Bewusstem Einsatz von Schärfe & Unschärfe
Der Schritt zu KI generierten Bildinhalten oder reinen KI-Bildern ist natürlich noch ein großer Schritt, aber die Grundlagen der Gestaltung werden dadurch nicht ungültig.

Das Werkzeug „Kamera“ wird bleiben
Es wird weiterhin viele Bereiche geben, in denen weiterhin eine Kamera das fotografische Werkzeug der Wahl ist. Bei dokumentarischen Bildern sowieso, aber auch in den Fällen, in dem eine bestimmte Bildidee zu 100% umgesetzt werden soll. Es wird noch sehr lange dauern, sofern es überhaupt jemals möglich wird, eine ganz konkrete Idee genauso umzusetzen, wie man sie selbst oder ein Kunde im Kopf hat.
Eine präzise Positionierung oder räumliche Anordnung von Motiven ist über einen egal wie langen Text-Prompt so gut wie unmöglich, geschweige denn das die aktuellen KI-Modelle mit räumlichen Begriffen umgehen können. Sie werden ja auf Bildinhalte trainiert und lernen anhand von Fotos, und den Begriff „dahinter“ z.B. kann man nun einmal bildlich nicht beschreiben. Auch die Beschreibung eines Gegenstandes bis ins kleinste Detail ist eine große Herausforderung. Man kann einem Prompt die grundsätzliche Form und Farbe einer Hose sowie ein paar weitere Informationen über Länge und Art mitgeben. Aber die exakte Form der Hosenbeine, die genaue Anordnung der Hosentaschen, die Beschreibung unterschiedlicher Hosen für mehrere Personen auf einem Bild? Unmöglich (Disclaimer: aktuell jedenfalls…).
Dazu kommt, dass eine Bild-KI nur lernen kann, wie ein Motiv aussieht und nicht, was es ist. Sie kann also nicht beurteilen, ob der Finger in der generierten Position realistisch ist, da sie nur das Aussehen kennt und nicht die Funktion. Selbst mit einem aufwendigen Prompting, vielen Iterationen oder einer Kombination aus mehreren Programmen kann man heute kaum mehr als geschätzte 70 bis 80% einer konkreten Vorstellung in einer KI umsetzen.
Kreativitätsschub für Fotografen
Für Social Media Posts oder für ein dekoratives „Bild von einem Wald“ braucht man heute keine Kamera mehr. Aber das sind Bereiche der Fotografie, bei denen der Wert eines einzelnen Fotos durch den Siegeszug der Stockfotografie vor vielen Jahren sowieso schon auf wenige Cent gesunken ist. Hier wird sicherlich mehr und mehr gepromptet und nicht mehr fotografiert werden.

In allen anderen Bereichen ist die KI eher ein Werkzeug, das den kreativen Prozess unterstützen wird:
- Fehlt die zündende Bildidee oder der richtige Ansatz, um ein Projekt anzugehen? ChatGPT hilft dir dabei, Bildideen und passende Prompts dafür zu entwickeln!
- Oder wird ein bestimmter Look oder Bildstil gesucht, um ihn mit dem Auftraggeber abzustimmen? Mit Midjourney und Co lassen sich Moodboards oder Beispielbilder erzeugen, um Look und Motiv für eine Fotoproduktion zu vereinbaren!
- Oder dir schweben Bilder vor, die sich mangels Etat (Malediven) oder wegen technischer Herausforderungen (Mars) nicht realisieren lassen? Fotografiere deine Motive im Studio und inszeniere sie in einem KI generierten Umfeld deiner Wahl und Fantasie!
Wie in so vielen Aspekten der Diskussion gilt: Offenheit gegenüber dem neuen Medium und mehr Pragmatismus im Einsatz sind der Weg zu besseren Bildern und zu größerem wirtschaftlichen Erfolg.
Und nur wenn man die neuen Werkzeuge kennt und versteht, kann man für sich selbst entscheiden, ob man damit arbeiten möchte oder nicht. Denn natürlich sind auch weiterhin Geschäftsmodelle ohne Bild-KI möglich.
Natürlich bleiben Fragen…
Dieser stufenlose Übergang zwischen „echtem“ und künstlich erzeugtem Bild macht die juristischen und ethischen Fragen rund um dieses Thema nicht einfacher. Aber auch hier ist fotografische Kompetenz gefragt.
Der Umgang mit dem Spannungfeld zwischen Realität, Abbildung durch Fotografie, KI generierten Inhalten und allem dazwischen wird uns in den nächsten Jahren auf mehreren Ebenen auf Trab halten:
- Wer besitzt das Urheberrecht an KI Bildern und damit die Möglichkeit, KI-generierte Bilder wirtschaftlich auszuwerten mit dem Verkauf von Nutzungsrechten? Der Prompt-Schreiber? Das Unternehmen, das die KI programmiert hat und zur Verfügung stellt? Oder die Fotografen und Künstler, mit deren Bildern die KI trainiert wurde?
- Und wer haftet, wenn es zum Rechtsstreit kommt? Unternehmen wollen gerne die Effizienzgewinne durch KI-generierte Inhalte mitnehmen, wollen sich aber kein Prozessrisko einhandeln, wenn sie von Urhebern verklagt werden.
- Das Recht am eigenen Bild gilt auch für KI generierte Bilder, erste Rechtsstreitigkeiten laufen bereits, wo sich Menschen auf KI Bilder wiedererkennen.
Wer jetzt ein „Déjà vu“ hat: Ja, genau – auch das sind Fragestellungen, mit denen Fotografen sich täglich auseinander setzen müssen und große Expertise besitzen.

Perfekter Sturm: Erlerntes Vertrauen & Generative KI
Jenseits der juristischen Aspekte tauchen auch einige wichtige Fragen auf, die uns als Gesellschaft noch intensiv beschäftigen werden. Eins der zugrunde liegenden Probleme: Unsere Wahrnehmung als Menschen wurde genetisch und gesellschaftlich seit vielen Generationen darauf trainiert, real wirkenden Bildern das Vertrauen zu schenken, dass sie die Realität abbilden.
Fake Bilder gab es schon immer, aber noch nie war es so einfach, extrem realistisch wirkende Bilder ohne jeglichen Bezug zur Realität zu erzeugen. Wie wir als Gesellschaft damit umgehen, müssen wir noch herausfinden und entsprechende Regeln formulieren.
Ein Teil der Lösung wird Content Authentication sein: Verschiedene Fotohersteller, Softwareanbieter und Verbände arbeiten daran, die komplette Kette von der Aufnahme eines Fotos über die Bearbeitung bis hin zur Ausgabe nachvollziehbar zu machen. So wird es möglich, in den Daten eines Bildes zu dokumentieren, wo und wie es aufgenommen wurde, wie es bearbeitet und beschnitten wurde. So werden zumindest „Inseln des Vertrauens“ geschaffen, wo man sicher sein kann, keine manipulierten Bilder vorgesetzt zu bekommen
Aber solche technischen Mittel können keine sozialen Herausforderungen lösen. Medienerziehung (und zwar für alle Generationen) muss vermitteln, dass man jedem veröffentlichten Bild erstmal mit Skepsis begegnen muss.

KI und Fotografie: Keine Gegensätze, sondern unterschiedliche Werkzeuge
Trotz aller Herausforderungen, die auf uns zukommen: Künstliche Intelligenz, die Bilder schafft, ist kein existenzbedrohender HAL 9000, sondern ein fantastisches Werkzeug, um neue Bildwelten zu erschaffen und den kreativen Prozess zu unterstützen.
KI und Fotografie sind auch keine Gegensätze, sondern werden sich ergänzen. KI wird die Fotografie nicht ersetzen oder überflüssig machen, sondern verschiedene Aspekte in unterschiedliche Richtungen lenken:
- Wie beim Revival der analogen Fotografie wird es weiterhin eine Art der Fotografie geben, die sich dadurch definiert, ohne jeglichen Einfluss durch KI auszukommen.
- Groß sind jetzt schon die Bereiche, in denen die Bildqualität massiv von KI profitieren, von der Aufnahme über die Nachbearbeitung bis zum fertigen Bild.
- Und vielen Konsumenten wird es schlicht egal sein, wie Rezeptbilder, Virtuelle Influencer, Produktabbildungen, Newsletter-Illustrationen oder Werbebilder einstanden sind.
Als Fotografen das neue Medium definieren
Künstliche Intelligenz ist vor allem ein neues Werkzeug, um Bilder zu erschaffen – ähnlich wie es die Fotografie vor 150 Jahren war. Auch die Fotografie musste sich technisch und kreativ entwickeln, bevor sie als Kunstform anerkannt wurde. Bei Bildern, die durch Künstliche Intelligenz erzeugt werden, stehen wir ganz am Anfang dieses spannenden Prozesses. Daher ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, als Fotograf das neue Medium zu umarmen, auszuprobieren, professionell einzusetzen, an seine Grenzen zu bringen und diese weiter zu verschieben – um so das neue Medium aktiv mitzugestalten!
Eine Reise in unbekannte Gefilde – aber es wird auf jeden Fall kreativ, spannend und hochinteressant.
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